Von der Natur zur Handwerkskunst: Die traditionelle Lederherstellung in Nepal – Respektvoll und Ressourcenbewusst

Von der Natur zur Handwerkskunst: Die traditionelle Lederherstellung in Nepal – Respektvoll und Ressourcenbewusst

April 15, 2025

Hast du dich jemals gefragt, woher das wunderbar weiche Leder unserer handgefertigten Produkte kommt? In Nepal, wo buddhistische Werte tief in der Kultur verwurzelt sind, wird die Lederherstellung auf eine ganz besondere Weise praktiziert – eine, die Respekt vor dem Leben und den natürlichen Ressourcen in den Mittelpunkt stellt. Begleite uns auf eine faszinierende Reise durch einen traditionellen Prozess, der Geduld, Können und eine tiefe Verbindung zur Natur erfordert.

Anders als in vielen anderen Teilen der Welt ist die Schlachtung von Kühen in Nepal gesetzlich verboten. Daher beginnt die Geschichte unseres nepalesischen Leders nicht im Schlachthof, sondern oft mit dem natürlichen Kreislauf des Lebens. Die Sarki, die traditionelle Gerber- und Schuhmacherkaste, begeben sich auf oft tagelange Fußmärsche durch die Hügel, um an getrocknete Kuhhäute zu gelangen – von Tieren, die eines natürlichen Todes gestorben sind. Büffelhaut wird seltener verwendet, da sie oft für den Eigenverbrauch bestimmt ist oder in der modernen Gerberei landet.

Ein Geduldspiel: Der traditionelle Gerbprozess in sechs Schritten

Die traditionelle Lederherstellung in Nepal ist ein langsamer, handwerklicher Prozess, der sich über Wochen und Monate erstreckt. Lass uns einen Blick auf die einzelnen Schritte werfen:

Schritt 1: Die Sammlung der Rohhaut

Wie bereits erwähnt, ist die Beschaffung der Rohhaut der erste und entscheidende Schritt. Die Sarki verlassen sich auf ihr Netzwerk in den ländlichen Gemeinden, um an die wertvollen Häute zu gelangen.

Schritt 2: Äschern, Enthaaren, Fleischreste entfernen und Entkalken

Zurück in der Werkstatt werden die getrockneten Häute zunächst etwa 24 Stunden in einem Teich eingeweicht, um sie geschmeidiger zu machen. Anschließend werden sie entlang der Wirbelsäule geteilt, um die weitere Bearbeitung zu erleichtern. Nun folgt das Äschern: Die Häute werden für etwa einen Monat in einer Kalklösung eingelegt, die in einer Grube angesetzt wird. Früher gewannen die Gerber den Kalk durch das Brennen von Kalkstein, heute ist er in Kathmandu erhältlich. Täglich werden die Häute in der Kalklösung bewegt, um den Prozess zu beschleunigen.

Der Kalk bewirkt ein Aufquellen der Haut, wodurch sich im nächsten Schritt die Haare mit einem Messer abschaben lassen. Anschließend werden sorgfältig die Fleischreste von der Innenseite entfernt – eine sehr geschickte Arbeit, bei der es leicht zu Beschädigungen kommen kann. Die Messer werden oft aus alten Blattfedern von Autos gefertigt. Nach dem Entfleischen werden die Häute ein bis zwei Tage in einem Teich gewaschen, um den Kalk zu entfernen.

Schritt 3: Die eigentliche Gerbung

Die traditionelle Gerbung in Nepal erfolgt mit natürlichen Materialien: Blätter und Rinde bestimmter Sträucher und Bäume. Da die legale Beschaffung von Rinde heutzutage schwierig ist, verwenden die Gerber meist die Blätter und Zweige des Dhayero oder Dhairo (botanisch: Woodfordia fruticosa), eines Strauchs, der in Nepal bis zu einer Höhe von etwa 1500 Metern wächst. Obwohl dieser Strauch Anfang des 20. Jahrhunderts in Kalkutta als potenzielle kommerzielle Gerbstoffquelle untersucht, aber aufgrund von Anbauschwierigkeiten abgelehnt wurde, ist er für die traditionellen Gerber ideal: Er wächst üppig und ist einfach als Gerbmittel zu verwenden.

Die Blätter und Zweige werden zu Staub gemahlen und mit Wasser in der Gerbgrube vermischt. Die Häute werden hinzugefügt und regelmäßig in der Lösung bewegt. Dieser Prozess dauert wie das Äschern etwa einen Monat. Wöchentlich wird die Gerblösung erneuert, bis der Gerber beurteilt, dass das Leder vollständig gegerbt ist. Abschließend wird das Leder entnommen und getrocknet, wodurch sich die Gerbstoffmoleküle in der Haut fixieren.

Schritt 4: Reduzierung der Dicke

Da Leder ein Naturprodukt ist, variiert seine Dicke. Um es für die Weiterverarbeitung vorzubereiten, muss der Gerber die Dicke reduzieren – ein Vorgang, der als Schärfen oder Spalten bezeichnet wird. Dies geschieht von Hand mit einem sehr scharfen, angefeuchteten Messer. Wie das Entfleischen erfordert dies großes Geschick, um Löcher oder ungleichmäßige Dicken zu vermeiden.

Schritt 5: Das Weichmachen

Nach dem Trocknen ist das Leder zunächst hart und steif. Um es weich zu machen, weicht der Sarki es erneut in Wasser ein, bevor er Öl auf die Fleischseite aufträgt. Traditionell wurden dafür lokal verfügbare Ölsamen wie die des Niembaums oder der Purgiernuss verwendet, die zerstoßen und als öliger Brei auf die Haut gerieben wurden. Heutzutage wird oft Senföl mit etwas Seifenwasser zu einer Emulsion vermischt. Die Haut wird auf einer Strohmatte zusammengefaltet und getreten, um das Öl einzuarbeiten. Zwischendurch wird die Haut in alle Richtungen gedehnt. Dieser Prozess dauert fast einen ganzen Tag, bis die Haut trocken und weich ist.

Abschließend kann die Haut eingerollt und gegen einen flachen Stein geschlagen werden, um Falten zu glätten. Bei richtiger Ausführung entsteht so ein angenehm weiches Leder mit einer attraktiven, ausgeprägten Narbenstruktur. Dieser Schritt erfordert jedoch viel harte Arbeit.

Schritt 6: Das Färben

Die natürliche Farbe des vegetabil gegerbten Leders ist Braun. Der genaue Farbton kann je nach verwendetem Gerbmittel variieren. Die Woodfordia fruticosa erzeugt jedoch einen hellen Braunton. Die einzige traditionell hergestellte andere Farbe ist Schwarz, die durch Einreiben des Leders mit einer Lösung aus Hirakosi (Eisensulfat) erzielt wird. Das Eisensulfat reagiert mit den pflanzlichen Tanninen und färbt das Leder innerhalb weniger Minuten dauerhaft schwarz.

Ein respektvoller Weg

Dieser traditionelle Prozess der Lederherstellung in Nepal ist mehr als nur ein Handwerk. Er ist ein Ausdruck des Respekts vor dem Leben und der sorgfältigen Nutzung der Ressourcen. Indem natürliche Materialien verwendet und die Häute von Tieren genutzt werden, die eines natürlichen Todes gestorben sind, entsteht ein hochwertiges und einzigartiges Leder auf eine ethisch vertretbare Weise.

Wenn du also das nächste Mal ein Produkt aus unserem nepalesischen Leder in den Händen hältst, denke an die lange Reise, die es hinter sich hat – von den Hängen des Himalayas bis in deine Hände, gefertigt mit traditionellem Wissen, Geduld und tiefem Respekt vor der Natur.

Quelle: https://villageleathernepal.blogspot.com/2011/05/traditional-leather-tanning-in-nepal.html?view=magazine

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